Der Musikverlag Doblinger gilt seit mehr als 130 Jahren als eine der tragenden Säulen des Musiklandes Österreich. Der traditionsreiche Familienbetrieb wird in fünfter Generation von Peter Pany geleitet und ist in der Wiener Dorotheergasse ansässig – der nach wie vor ersten Adresse für alle Musikalien.
Gründung
Seit der Gründung durch Bernhard Herzmansky sen. im Jahre 1876 hat sich der Musikverlag Doblinger rasch zu einem der wichtigsten und verlässlichsten Partner im österreichischen Musikleben entwickelt. Klassiker des ausgehenden 19. (Anton Bruckner, Gustav Mahler, Karl Goldmark) und des beginnenden 20. Jahrhunderts (Alexander Zemlinsky, Ferruccio Busoni, Ernst von Dohnányi, Franz Schmidt) sowie führende Vertreter der Operette und des Wiener Liedes (von Carl Michael Ziehrer über Franz Lehár und seine Lustige Witwe sowie Oscar Straus und seinen Walzertraum bis hin zu Hermann Leopoldi) bildeten den Grundstein für eine beispiellose Repräsentanz und Resonanz österreichischen Musikgeschehens.
Nach 1945
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland 1938 wurde Bernhard Herzmansky jun. inhaftiert und durfte nach drei Monaten im KZ Dachau seine Firma nicht mehr betreten. Nach 1945 wieder in seiner Funktion bestätigt, begründete er Doblingers Bestrebungen, zahlreichen vom Naziregime verfolgten und vertriebenen Autoren zumindest verlegerisch eine neue, alte Heimat zu bieten, in die viele gerne zurückgekehrt sind – Egon Wellesz etwa; außerdem müssen an dieser Stelle die posthumen Erfolge der Werke von Erich Zeisl genannt werden. Doblingers schon traditioneller Focus auf das zeitgenössische Musikschaffen des Landes wurde in den letzten sechzig Jahren beständig ausgebaut, sodass mittlerweile nahezu sämtliche namhaften österreichischen Komponisten der Gegenwart bei Doblinger vertreten sind – angeführt von Altmeistern wie Friedrich Cerha, Erich Urbanner und Iván Eröd.
Reihe Diletto Musicale
Im Bereich der Alten Musik hat die 1958 gegründete und mittlerweile über 1500 Werke umfassende Reihe Diletto Musicale internationale Berühmtheit erlangt, deren breites Spektrum von früher Barockmusik über einen Schwerpunkt bei Joseph Haydn bis hin zu den Werken der Strauß-Dynastie reicht. Die unerlässliche Grundlage für all das aber schuf Doblinger durch neue Musikschulbücher und vor allem Literatur für den Instrumentalunterricht – ein weiterer wichtiger Verlagssektor, der konsequent erweitert und stets den modernsten pädagogischen Erkenntnissen angepasst wird. Chor- und Kirchenmusik ergänzen das Programm ebenso wie gelungene Crossover-Werke, die auf überzeugende Weise zwischen E und U vermitteln. Seit Beginn des neuen Jahrtausends ist Doblinger auch Partnerschaften mit etlichen der meistversprechenden Komponistinnen und Komponisten der jungen und jüngsten Generation eingegangen, deren stilistische Bandbreite für sich spricht.
So enthält der heute mehr als 20.000 Titel umfassenden Verlagskatalog ein enormes Spektrum dessen, was heute rund um uns erklingt: von der Vergangenheit bis zur Gegenwart.
01 Bernhard Herzmansky sen. (Geschäftsführer 1876 – 1921)
02 Bernhard Herzmansky jun. (Geschäftsführer 1921 – 1954)
03 Christian Wolff (Geschäftsführer 1955 – 1980)
04 Helmut Pany (Geschäftsführer 1980 – 2009)
05 Peter Pany (Geschäftsführer seit 2009)
Ausführliche Version der Geschichte
1876 – Die Anfänge
Am 1. August 1876 verkaufte der aus Oberösterreich gebürtige Ludwig Doblinger (geb. 1809. Sterbedatum unbekannt) seine Musikalien-Leihanstalt und das beigeschlossene Antiquariat,
um nach Linz, in den Heimatort seiner Frau, zurückzukehren – und dort noch im selben Jahr völlig aus den Annalen zu verschwinden.
Das sein Name aber bis heute bekannt ist, hat er dem Käufer zu verdanken: Der damals 24-jährige Bernhard Herzmansky (1852-1921), der als Kind mit seinen Eltern aus Böhmen nach Wien gekommen war, und mit dem väterlichen Erbteil so will es die mündliche Überlieferung, „entweder ein Wirtshaus oder eine Musikalienhandlung“ eröffnen wollte, behielt den bereits eingeführten Namen für seinen sogleich gegründeten Verlag bei und setzte den eignen nur in Klammer hinzu: „der Doblinger“ in der heutigen Form war geboren.
Die Vielfalt der Frühzeit
Ausgaben für Klavier nahmen von Anfang an eine prominente Stellung in der Verlagsproduktion ein – war das Instrument doch in praktisch jedem Haushalt des kunstsinnigen Bürgertums vorhanden und diente in der zeit vor der Erfindung und Etablierung von Schallaufnahme und Radio als Zentrum privater Musikunterhaltung. Franz (oder Francois) Behr (1837 – 1898) schrieb vor allem für den gediegenen Salon; unzählige Klavierelev(inn)en machten insbesondere sein „Schneeglöckchen“ zu einem dauerhaften Verkaufserfolg des jungen Verlags. Carl Michael Ziehrer, der „letzte Militärkapellmeister“ und quasi Konkurrent der Strauß-Familie, kam bald zu Doblinger und hielt hier die Tradition der Wiener Tanzmusik hoch. Aber nicht nur brandaktuelle Schlager wie die beliebtesten Nummern aus der „Lustigen Witwe“ wollte man daheim sogleich nachspielen (noch ohne deren Zeitlosigkeit zu ahnen), auch Orchesterwerke der „E-Musik“ fanden oft zunächst über das Klavier Verbreitung: So wurde etwa Anton Bruckners (im Doblinger-gründungsjahr 1876 vollendete) Symphonie Nr. 5 in einer von seinem Schüler und freund Josef Schalk erstellten Fassung für zwei Klaviere am 20. April 1887 in Wien uraufgeführt – wohingegen ein missgelaunter Bruckner sich übrigens lange gewehrt hat.
Historische Verlagsproduktion
Das Nebeneinander von unterhaltender und „ernster“ Musik war für Bernhard Herzmansky sen. von Beginn an eine verlegerische Selbstverständlichkeit. Galt es einerseits, gewinnträchtige Verkaufsschlager aus den Bereichen Salonmusik, Marsch und Wienerlied zu produzieren, so investierte der Firmengründer auch in die Förderung bedeutender Konzertmusik. Teils durch den Ankauf anderer Wiener Verlage (unter anderem Emil Wetzler, Johann Peter Gotthard) gelangten etwa Carl Goldmark, Ignaz Brüll und Ferruccio Busoni zu Doblinger. Die Verlagsrechte zahlreicher Werke Anton Bruckners und der 4. Symphonie von Gustav Mahler übergab Herzmansky 1901 im Tausch gegen Aktienanteile an die von ihm mitbegründete Universal Edition.
„Die gute alte Zeit“?
„Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Herbst 1914 erhält das Wort ‚Tagesbedarf‘ für den Verleger plötzlich einen härteren Klang“, schreibt Herbert Vogg in seiner Festschrift „100 Jahre Musikverlag Doblinger“ (1976) über die zeitbedingte Editionspolitik, die sogar einen Franz Lehár zu einem wild-patriotischen „Kriegslied“ veranlasste. Viel friedlicher gestaltete sich der Beginn der Ära Bernhard Herzmansky jun. (1888 – 1954), der nach dem Tod seines Vaters 1921 die Geschäftsführung übernahm. Er verstand seine Rolle im Wiener Musikleben durchaus weiter gefasst denn als bloßer „Notenproduzent“. So öffnete er den eleganten Barocksaal im ersten Stock des Hauses Dorotheergasse 1ß für musikalische Veranstaltungen und gründete mit dem jungen Komponisten Otto Siegl als Redakteur die Zeitschrift „Musikbote“, deren Nummer 1 im Dezember 1942 erschien. Während Siegl bis November 1925 neun statt der vorhergesehenen vier Nummern herausbrachte, wurde der „Musikbote“ schon nach seinem zweiten, von Othmar Wetchy geleiteten Jahrgang, eingestellt. Siegl und der damals ebenfalls noch junge Erfolgskomponist Egon Kornauth standen im Zentrum der musikalischen Feiern zum 50-Jahr-Jubiläum des Verlags 1926. Im Bereich der unterhaltenden Musik entstanden Welthits wie „Mein Teddybär“, „Jalousie“ oder „Heut‘ ist der schönste Tag in meinem Leben“.
Franz Lehár und „Die Lustige Witwe“
Nach der Publikation zahlreicher Bühnenwerke Carl Michael Ziehrers begann mit Franz Lehár und der „Lustigen Witwe“ (Premiere am 30. Dezember 1904 im Theater an der Wien) Doblingers Aufbruch ins Silberne Operettenzeitalter, das ein künstlerisch äußerst fruchtbares und kommerziell besonderes einträgliches Kapitel der Verlagsgeschichte darstellt. Die Zusammenarbeit Lehár – Herzmansky umfasste in der Folge auch die Operetten „Eva“, „Das Fürstenkinde“, „Der Göttergatte“, „Die ideale Gattin“, „Der Mann mit den drei Frauen“, und „Die Tangokönigin“ und populäre Einzeltitel wie den „Pikanterien-Walzer“. Innerhalb des Hauses überliefert ist die Geschichte von dem noblen Vorschuss, den Bernhard Herzmansky den Textautoren Victor Léon und Leo Stein sowie dem „an chronischem Geldmangel laborierenden Lehár“ (Herbert Vogg) bei Unterzeichnung des „Witwe“ – Vertrages gezahlt haben soll, der freilich durch die späteren Einnahmen mehr als wettgemacht wurde.
„Silberne Operette“ und Wienerlied
Bereits in der Zeit vor der „Lustigen Witwe“ hatte sich Doblinger mit den Werken Carl Michael Ziehrers auf dem Gebiet der leichten Muse markant positionier. Kaum mehr als ein Jahr nach der Lehár-Premiere bahnte sich dann schon ein nächster Welterfolg an: Am 2. März 1907 erlebte der „Walzertraum“ von Oscar Straus seine Uraufführung. Das Duo „Witwe“ – „Walzertraum“ begründeten Doblingers führende Stellung auf dem gebiet der „Silbernen Operette“, der von zahlreichen weiteren Werken derselben Autoren sowie Ralph Benatzkys, Edmund Eyslers, Leo Falls, Oscard Nedbals und vieler anderer bestätigt wurde. Und auch das später oft belächelte „Dreimäderlhaus“ von Heinrich Berté zählte damals zu den einträglichsten Stücken. Es entstand ebenso in der düsteren Umgebung des Ersten Weltkriegs wie eines der beliebtesten aller Wienerlieder, Ralph Benatzkys unsterbliches „Ich muss wieder einmal in Grinzing sein“.
Doblingers Barocksaal als künstlerischer Treffpunkt einst und jetzt
Ab wann der unbestreitbar prächtigste Raum im Haus Dorotheergasse 10, der Barocksaal im ersten Stock, bereits für musikalische Zwecke genutzt wurde, lässt sich nicht mehr eindeutig ermitteln. Das schon um 1650 als im Besitz der Familie Dietrichstein erwähnte Palais wechselte mehrfach die Besitzer, ging 1828 an die Gräfin Marcelline von Worcell (seither auch das „Worcellsche Haus“ genannt) und war zuletzt im Besitz der prominenten Wiener Familie Dehne, ehe es von Bernhard Herzmansky sen. erworben wurde. Nachweislich war der Salon das Musikzimmer von Angelique Dehne, die eine der schönsten und charmantesten Wienerinnen ihrer Zeit gewesen sein soll. 1924 schließlich öffnete Bernhard Herzmansky jun. den Barocksaal für vielseitige musikalische Veranstaltungen, die insbesondere der Vorstellung zeitgenössischer Musik galten und durchaus nicht nur die Produktionen des Verlags Doblinger enthielten.
Wenngleich aus verschiedenen Gründen im „Salon“, wie wir den Barocksaal liebevoll bezeichnen, heutzutage keine Konzerte mehr stattfinden dürfen, öffnen wir unsere Pforten dennoch für besondere Anlässe wie Präsentationen, Komponistenporträts und ähnlichem.
„Vergangenheitsbewältigung“ – Vom Ständestaat zum Neubeginn
Austrofaschismus und Nazidiktatur gingen auch an Doblinger nicht spurlos vorüber – weder in Bezug auf die Verlagsproduktion noch in persönlicher Hinsicht. Beschwor die Revue „Wiener Illustrierte“ (1933) noch den harmlos-unbedarften, „unpolitischen“ Österreicher, so sollte man nach dem Bürgerkrieg „Österreichs Schwur“ schon im Zeichen des Kruckenkreuzes auf die „Ostmark“ leisten. Am 20. März 1938, wenige Tage also nach Hitlers Einmarsch, wurde Bernhard Herzmansky jun. als Monarchist verhaftet, saß drei Monate im Wiener Polizeigefangenenhaus und musste anschließend weitere drei Monate (bis 20. September 1938) im KZ Dachaus erdulden. In der Folge wurde er gezwungen, sich „aus Gesundheitsrücksichten“ praktisch völlig aus seiner Firma zurückzuziehen: Doblinger erhielt zunächst einen kommissarischen Leiter und schließlich als alleinigen Geschäftsführer den Berliner Komponisten Max Krüger, der sich von Herzmansky immerhin beraten ließ – ein Arrangement, das nach 1945 vorübergehend den Anschein der Kollaboration erwecken sollte, bis die Rechtlage endlich zugunsten Herzmanskys bereinigt werden konnte.
Exil, Rückkehr und neue Heimat
Nach Ende des 2. Weltkrieges nahm Doblinger einerseits die Kontakte zu bereits vor 1938 im Programm befindlichen Künstlern (z.B. Hermann Leopoldi, Fritz Spielmann) wieder auf, andererseits erhielt die verlegerische Betreuung der während des NS-Regimes als „entartet“ geltenden Komponisten besondere Bedeutung. Allen voran ist Egon Wellesz zu nennen, in jüngster Zeit gilt aber auch dem Schaffen von Kurt Roger, Eric Zeisl, Marcel Rubin oder Herbert Zipper wieder verstärkte Aufmerksamkeit. Viele Komponisten beschäftigten sich mit dem Thema „Verfolgung“, so steht beispielsweise Iván Eröds Liederzyklus „Über der Asche zu singen“ stellvertretend für die späte Aufarbeitung der rassischen Verfolgung im deutsch besetzen Ungarn des Jahres 1994. Dem Thema „Exilmusik“ setzen wir nach wie vor einen Schwerpunkt, wie die Inverlagnahme von Komponisten wie Walter Arlen, Joseph Beer, Ted Rosenthal oder erst kürzlich Walter Kaufmann belegen.
Kirche, Chor und Orgel
Sakralmusik bildete für Doblinger insbesondere nach der Liturgiereform des 2. Vatikanischen Konzils (1962-1965) einen Schwerpunkt. Pionierarbeit leistete der Verlag vor allem auf dem Gebiet der österreichischen Orgelmusik. Die bedeutendsten zeitgenössischen Orgelkomponisten publizierten hier, und führende Organisten beteiligten sich oft als Herausgeber an den Editionsreihen. Auf dem Gebiet der Chormusik nimmt neben dem Geistlichen auch Weltliches breiten Raum ein, darunter Doblingers Verkaufsschlager Nr. 1, Franz Schöggls heitere Variationen „Die launige Forelle“.
Verlagswesen heute
Der Ausbau unserer Verlagspalette zeigt, dass wir nach wie vor auf unsere „Hauptsäulen“ setzen: Auf den Bereich der Klassischen Musikwerke in der Reihe Diletto Musicale, den
Sektor Unterricht sowie auf die Pflege der Zeitgenössischen Musik. Nach wie vor geben wir jungen Komponist*innen die Chance, sich im Musikmarkt zu etablieren. Ein weiterer Pfeiler, den wir in letzter Zeit verstärkt forcieren, ist der Bereich der Bühnenwerke – von Oper, Kammerorchesterbearbeitungen klassischer Bühnenwerke bis zu Operetten reicht unser vielfältiges Programm.
Doch natürlich änderten sich die Anforderungen an einen Musikverlag im 21. Jahrhundert im Vergleich zu den Anfängen drastisch. Längst erfüllt ein Verlag nicht lediglich die Aufgabe der Herstellung und dem Vertrieb der verlegten Musikwerke. Enge Netzwerke mit Künstler*innen, Agenturen, Orchestern und Veranstaltungsbetrieben und somit Bindeglied oder Drehscheibe zwischen Komponist*innen und Aufführenden darzustellen, zählt mittlerweile zu einem wichtigen Aufgabenbereich. Auch den technischen Entwicklungen tragen wir Rechnung durch die Verwendung der neuesten Technologien von Notensetzprogrammen, aber auch durch die Zusammenarbeit mit Notenplattformen und der damit verbundenen Notendigitalisierung.