Werk

Noten
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RESCH Gerald

Cantus Firmus

Untertitel

Sinfonie für Orchester (mit Chor ad libitum, Worte aus der Heiligen Schrift)

Erscheinungsdatum
2010
Besetzung
Geistliche Chormusik
Dauer
23'
Bestell-Nr.
Leihmaterial

Keine Medien vorhanden

Beschreibung

Das Stück wurde im Auftrag des Festspielhauses St. Pölten komponiert und sollte eine sinnvolle Ergänzung zum zweiten Teil des Konzerts darstellen, Felix Mendelssohn-Bartholdys Symphonie-Kantate „Lobgesang“ aus dem Jahr 1840. Dieses Oratorium-artige Werk vertont Worte der Heiligen Schrift und stellt für mich aus heutiger Sicht ein befremdlich monumental-affirmatives Gotteslob dar. Ausgerechnet auf dieses 170 Jahre alte, selten gespielte Musikstück kompositorisch zu reagieren, erschien mir als eine Aufgabe, die ziemlich quer zu unserer Zeit und ihren musikästhetischen Moden steht. Mich mit diesen ersten Reflexen auseinanderzusetzen und individuelle Lösungen zu finden (z.B. durch das Aufbrechen musikalischer Gesten des Repräsentativen) war nicht einfach.   Einen wichtigen Impuls für die Gestalt der Komposition gab ein Gespräch mit Andrés Orozco-Estrada. Er, der als Kolumbianer einen ganz anderen Blick auf die Stilistik mitteleuropäischer zeitgenössischer Musik hat, stellte keck die Frage, warum ein großer Teil hiesiger Musik so düster, vergrübelt und zersplittert sei, während es der Mehrheit der Menschen materiell und sozial so gut gehe wie nie zuvor. Historische Gründe alleine reichen nicht aus, um die Scheu vor dem Positiven und Ungebrochenen, die sich in etlicher zeitgenössischer Musik Mitteleuropas mitteilt, zu erklären. Er wünschte sich als Gegengewicht zu dieser Tendenz ein Stück, das sich um Geschlossenheit und Vitalität bemüht und vorgegebene Rahmen intelligent, authentisch und lebendig ausfüllt. Dieser Wunsch kam meinem eigenen Bedürfnis entgegen, mich zu distanzieren von einer Art klischeehafter zeitgenössischer Musik, die nur aus Bequemlichkeit mit dem Bruchstückhaften und Undeutlichen flirtet. Um ein auf seine Weise zeitgemäßes Gegenstück zu „Lobgesang“ zu schreiben, war es nötig, nach unmittelbar nachvollziehbaren Kongruenzen zu suchen. Mendelssohn stellt seinem „Lobgesang“ eine einstimmige Posaunenlinie voran, die mit instrumentalen Mitteln eine wichtige Chorpassage „Alles was Odem hat, lobe den Herrn“ vorausnimmt. Auch „Cantus firmus“ geht von einem musikalischen Motto aus. Einer ganz schlichten Linie, die vom Chor a capella gesungen wird und im Weiteren als instrumentaler Cantus firmus den „Steinbruch“ für alle melodisch-harmonisch-rhythmisch-formalen Entwicklungen des Stücks darstellt und Zusammenhänge stiftet. Dabei versuchte ich, das Korsett des Symphonischen im Hinterkopf zu behalten, aber ahistorisch und rein formal zu denken. Zunächst in einer Einleitung Ideen konfigurieren, die aber noch nicht ausgeführt werden; in einem Hauptsatz dann die Vermittlung und Verwandlung deutlich wiedererkennbarer musikalischer Gestalten, um dann in einem langsamen Teil anders beleuchtet, sozusagen gelöst – linear ausgebreitet zu werden. Am Schluss endlich eine Verdichtung durch die Kombination der musikalischen Hauptideen des ganzen Stücks. Mein „Cantus firmus“ ist ein Versuch, mit den Sprachmitteln der zeitgenössischen Musik durch Arbeit an der Form zu einer musikalischen Aussage zu finden, die etwas mit meiner persönlichen Gegenwart zu tun hat. (Gerald Resch)

Inhalt

1. Corale e Passacaglia / 2. Quasi una Sonata / 3. Aria e Finale

Rezension

 "...Schließlich entpuppt sich Gerald Reschs Canus Firmus - Symphonie für Orchester und Chor - als vitales Opus der markanten Momente. Als Auftragswerk des Festspielhauses St. Pölten soll der Zwanzigminüter auf Mendelssohn Bartoldys chorlastige zweite Symphonie (Lobgesang) Bezug nehmen. Natürlich aber will eine Neuheit vor allem für sich selbst stehen, abseits der Beziehungen zur inspirierenden Vorlage. Resch setzt den Chor dann auch ein, jedoch kurz zu Beginn und sanft ganz am Schluss. Dazwischen? Zwei gewaltige Tutti-Ausbrüche und die anfängliche Richtungssuche mit Streicherdominanz, perkussiven Momenten und markantem Bläsereinsatz, bis sich auf freitonaler Grundlage die rhythmische Prägnanz quasi als eine Art Werkrückgrat entpuppt. Zum Schluss hin bestätigt sich dies durch blockartigen, mechanisch anmutenden Streichereinsatz, obwohl hin und wieder auch ganz andere, also verinnerlichte Passagen zum Einsatz kommen. (...)" Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 4.10.2010   "... Vor der Pause hörte man die Uraufführung von Gerald Reschs 'Cantus Firmus'. Souverän nützt er das Riesenorchester und geht mit Traditionsformen (Passacaglia, Sonata usw.) wie mit Mitteln der neuen Musik effektvoll um." V. P., KRONENZEITUNG, 4.10.2010   "...Resch greift ins Volle bei seinen Klangbildern und setzt Energien frei. Polyrhythmische Motorik, fast tänzerische, perkussive Phasen, zahllose Kontraste machen den halbstündigen, dreisätzigen 'Cantus Firmus' für Orchester und  Chor zu einem kurzweiligen Erlebnis: sehr resch, sozusagen. Den 'Chorus sine nomine' nützte der Komponist allerdings nur, um kleine Farbkleckse im a-cappella-Eingang und zum Schluss beizusteuern. ..." Karl Harb, Ernst P. Strobl, SALZBURGER NACHRICHTEN - 4.10.2010   "(...) Ein Versuch, der gelang: Reschs "Cantus Firmus" orientierte sich nicht zwingend an der Vorlage, er ging mit eingängigen Eigenthemen und Zitaten ans Werk. Messiaen'sche Klangintensität eröffnete den Corale, persiflierende Sololändler bereicherten die Violinstimmen, heiße Rhythmen machten deutlich: Für dieses Werk brauchte man keine Bedienungsanleitung, nur ein offenes Herz für schöne Überraschungen. Wie bei Mendelssohn." Daniel Wagner, WIENER ZEITUNG online, 4.10.2010   "(...) Die Tonsprache weitab neoklassizistischer Praxis oder plumper Zitierfreudigkeit wirkt völlig eigenständig, assoziative Anklänge tauchen nur wie durch Nebelschleier auf. (...) Durch dramaturgische Abwechslung und instrumentations-technische Finessen kommt das Werk jedoch auch ohne formale Entschlüsselung effektvoll an." Ewald Baringer, APA - online, 2.10.2010   "(...) Leicht hat er es sich nicht gemacht. Und herausgekommen ist ein sehr gutes, anspruchsvolles Stück, an dem er sogar während der Konzeption den Titel änderte. (...) Es wurde - bei allem Respekt vor der romantischen Musik Mendelssohns, auch Schuberts - keine affirmative Angelegenheit, sondern mitunter eine motivisch streng strukturell komponierte, aber auch dramatische. Wunderschön die von vielen Solostellen durchsetzte Stimmführung der Partitur mit auch bedeutenden Aufgaben für Pauker, Schlagwerker inklusive Marimba- und Vibraphon sowie der Harfe. (...) Ein großes Bravo! Man mag der Musik wieder begegnen." Heinz Rögl, MICA/ Musikaustria-Homepage