Werk

Noten
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RESCH Gerald

Collection Serti

Untertitel

für räumlich verteiltes Ensemble

Erscheinungsdatum
2011
Dauer
15'
Bestell-Nr.
Aufführungsmaterial leihweise

Keine Medien vorhanden

Beschreibung

„Collection Serti“ ist Teil eines abendfüllenden „Dramatischen Konzerts für großes Ensemble und Konzerthauspersonal“, das das Klangforum Wien in Zusammenarbeit mit dem französischen Künstler Patrick Corillon und Netzzeit Produktion im Auftrag von Wien Modern und der Wiener Konzerthausgesellschaft entwickelt hat. Der Abend, der etwa fünf Stunden dauert, thematisiert in mehreren Konzerten und Installationen die Leidenschaft des (fiktiven) ungarischen Schriftstellers Oskar Serti, Konzerte mit zeitgenössischer Musik zu besuchen. Unter anderem hätte Oskar Serti Musikinstrumente, die bei der Uraufführung wichtiger Werke der zeitgenössischen Musik mitgewirkt haben, gesammelt und in 14 glaslosen Vitrinen ausgestellt. Die Musikinstrumente dürfen die Vitrinen nicht verlassen, aber von Zeit zu Zeit dürfen junge Musiker in diese Vitrinen steigen, um die Musikinstrumente zu spielen. Diese Vitrinen werden jeweils in den Foyers der Konzerthäuser, in denen das „Dramatische Konzert“ aufgeführt wird, aufgestellt sein. Mein etwa 15-minütiges Stück „Collection Serti“ geht von dieser Konstellation aus: 14 Musiker steigen nach und nach in die 14 Vitrinen und beginnen, ohne Koordination durch einen Dirigenten  Solostücke zu spielen, die sich immer stärker überlappen. Nach und nach verdichtet sich die Musik zu einem kompakten Ensemblestück aus 14 gleichzeitig erklingenden Partien. Dabei lege ich besonderes Augenmerk darauf, dass sich das Ensemble gewissermaßen von selbst organisiert, die Musiker auf bestimmte akustische Signale reagieren und auch ohne gegenseitigen Sichtkontakt musikalisch interagieren. Diese Idee erfordert eine Partitur, die ohne Taktkoordination aus flexibel ineinander verschiebbaren Modulen besteht. Die Musiker anhand ihrer Einzelstimme einerseits übersichtlich durch das Stück zu führen, andererseits Teil des ganzen sein zu lassen und also anhand ausführlicher Stichnoten bzw. Parallel-Systemen mitzuteilen, was im Gesamtensemble außerdem an Charakteristischem passiert, ist sowohl kompositorisch als auch logistisch als auch notensatztechnisch eine große Herausforderung.  Wichtig sind die Trennung nach Instrumentenfamilien, oder Grundkonstellationen, wer der jeweilige Nachbar ist, zum Beispiel spielt neben der Flöte der Kontrabass, neben der Klarinette die Trompete, klanglich ungleiche Paare. Einerseits überspringende Verkettungen, andererseits die jeweils am weitesten entfernten Antipoden. Das Weiterreichen der Klänge definiert die akustische Bewegung im Raum, Aufbau und Reduktion von Spannung. Anfangs muss sich die Musik in dieser Vernissage-Situation Gehör verschaffen. Sozusagen komponiertes Einstimmen. Danach die zweiteilige Hauptkomposition: Die Strukturen des ersten Durchlaufs erscheinen im zweiten mehrfach verändert wieder, Varianten im Sinne neuer Verflechtungen, um in der Gesamtform Wiedererkennbarkeit zu erzielen. Im Serti-Stück sind es pro Teil zehn charakterlich und klanglich divergent besetzte, korrespondierende Episoden. Am Beginn breiten sich zwei Zwölftonfelder aus, im Teil zwei sind sie exaltierter, rascher. Ein „langsamer Wurm“ wandelt sich zum „schnellen“, Störungen unterbrechen die Glissandi in „Drift“, was vorerst chaotisch abwärts gerichtet ist, bewegt sich danach aleatorisch aufwärts. „Mobile“ rekrutieren sich einmal aus kleinen, permutierten Gesten, beim zweiten Mal aus aufgeregt akzentuierten. Wenige Minuten vor Schluss des Stücks verändert sich die Musik unerwartet, überraschend, eine nachgereichte Coda gewissermaßen, in ihr öffnet sich ein neues, homophones Klangfenster. Insgesamt ist das Werk darauf angelegt, eher verschmelzend zu sein. Es geht weniger um das „Konzertieren“, ist also kein unglaublich schnelles, virtuoses, typisches Klangforum-Stück.   (Gerald Resch)

Rezension

"Ein Höhepunkt: Gerald Reschs 'collection Serti' bespielte das verspiegelte große Foyer mit überaus zugänglichem, luftig-transparentem Raumklang."  (Georg Leyrer, KURIER 7.11.2011) "Höhepunkt ist die Aufführung von 'collection Serti' - jenem Stück, mit dem Resch den Erste-Bank-Kompositionsauftrag erfüllte. Das Ensemble bringt darin die im Foyer präsentierte Instrumentensammlung der Kunstfigur Serti zum Klingen. Die Komposition endet mit einem Witz, nämlich so, wie ein Konzert normalerweise beginnt: mit dem Stimmen der Instrumente. Die Form der Darbietung - nämlich als Installation, in der das Publikum sich frei bewegen kann, wobei es von allen Richtungen beschallt wird - trägt erheblich zum Reiz dieser Aufführung bei." (Lena Drazic, WIENER ZEITUNG 8.11.2011) (…) Aber es gibt einen Moment, da kommt dieser merkwürdige, verrückte Abend zu sich selbst: Der junge Wiener Komponist Gerald Resch hat das Schlüsselstück des Abends komponiert. In „collection serti“ steigen die Musiker paarweise in Vitrinen, in denen Oskar Sertis Devotionalien ausgestellt sind, und fangen inmitten  des umher wandelnden Publikums an zu spielen – ohne Dirigent, ohne unmittelbaren Kontakt untereinander. Aus den einzelnen musikalischen – aber auch real räumlichen! – Zellen ergibt sich durch Verschränkung und Überlagerung mehr und mehr eine Gesamtkomposition, die schließlich das gesamte Gebäude erfüllt. Man kann, wenn man so will, hier die Aufhebung einzelner, höchst idiosynkratischer Erkenntnisweisen zu einer geglückten, weltbejahenden Leidenschaft in Echtzeit beobachten. Auch das ist virtuos, manieriert und enorm anspruchsvoll – aber im Gelingen der Komposition spielen diese Attribute schlagartig keine Rolle mehr. Am Ende ist Oskar Serti doch noch zu seiner Musik gelangt. ( Felix Klopotek, STADTREVUE – DAS KÖLNMAGAZIN, Ausgabe 1.2012) "Gerald Reschs Komposition Collection Serti ist durchaus ein gelungenes und hörenswertes Werk, welches in den 'zusammen-geführten' Abschnitten einen pulsierend-schwebenden Charakter aufweist, der allerdings rhythmisch determiniert ist, ohne sich gänzlich aus den tonalen Sphären zu entfernen." (Michael Bertha, TERZ) "Gerald Resch hatte den Erste-Bank-Kompositionsauftrag bekommen, sein Werk wurde im Rahmen der Veranstaltung uraufgeführt. Eine gelungene Raum-Klang-Komposition, bei der die MusikerInnen im Haupfoyer des Konzerthauses verteilt waren und so ein sehr beeindruckendes Hörerlebnis boten." (Sabine Töfferl, TERZ) Die „collection Serti“ oder„Erkundungen einer Musiksammlung“, wie die Komposition im Untertitel heißt, ist ein Auftragswerk der Erste-Bank, welches punktgenau für diese Veranstaltung von Gerald Resch komponiert worden war. Es bezog sich thematisch auf die in luftigen Vitrinen ausgestellten Instrumente und war für das Konzerthaus selbst eine ganz besondere Premiere. Denn Resch bezog sich mit diesem Werk auf das große Foyer, in dem es auch aufgeführt wurde. Er komponierte es für jenen Raum, der normalerweise als Durchgangsort wahrgenommen wird, an dem man nur kurz hält um sich zu begrüßen und seine Garderobe dort abzugeben. Genau dort hatte man das Publikum versammelt, das stehend, dicht an dicht, dieser Uraufführung lauschte. Nacheinander stellte sich ein Instrument um das andere mit kleinen Sequenzen solistisch vor. Was bewirkte, dass man die wunderbaren Musikerinnen und Musiker des Klangforum Wien einmal aus der Nähe hören und sehen konnte, aber auch Gelegenheit bekam deren Können in dieser Vorstellungsphase ausgiebig zu bewundern. Bald wurden diese kurzen Sequenzen vom restlichen Ensemble aufgenommen und verdichtet, bis erneute eine Solostimme zu vernehmen war. Jedes Instrument kam dabei zu seinem – ich möchte sagen – „natürlichen“ Recht. Durfte sein ureigenes Klangspektrum voll zum Besten geben und dabei doch Neue klänge produzieren. Reschs Musik gestaltete sich, je länger man lauschte, harmonisch im Sinne von tatsächlich vertrauten Harmonien. Und genau diese Verschränkung zwischen Vertrautem und Neuem spiegelte den eingangs erwähnten Auftrag des Hauses auch sehr schön wieder. Resch erwies mit der Komposition dem Haus seine Reverenz und schrieb ihm örtlich neue Bedeutungen zu. Dass sich unter dem Publikum gleichberechtigt nun auch all jene befanden, die normalerweise außerhalb des Konzertsaales auf das Ende der Vorstellungen warten, also die Platzanweiser und die Damen und Herren bei den Garderoben, war fast äquivalent mit der Aufführungspraxis dieses Stückes zu sehen – das ohne Dirigat auskommt und in welchem sich die Musikerinnen und Musiker ganz auf sich selbst und die Gemeinschaft verlassen müssen bzw. dürfen. Ein Konzert, in dem sich die Unterschiede der Besucher und Dienstleister aufhoben und beide ein wenig in die Rolle der jeweils anderen schlüpfen konnten. Ein Stück, das Grenzen sprengte, ohne gewisse Grenzen jedoch nicht außer Acht zu lassen. Was noch zu sagen wäre: Gerald Resch wäre wohl nicht er selbst, hätte das Stück nicht auch noch mit einer großen Überraschung geendet. Oder haben Sie schon einmal eine Komposition gehört, an dessen Ende die Instrumente gestimmt werden? (Michaela Preiner, EUROPEAN CULTURAL NEWS, 11.11.2011)