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SCHULZE Tristan

Konzert für E-Gitarre und Orchester

Erscheinungsdatum
2003
Dauer
22'
Bestell-Nr.
35 912 (Version E-Gitarre/Klavier), Orchesterfassung: Aufführungsmaterial leihweise

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Beschreibung

1997 traf ich Wolfgang Muthspiel in New York. Er war in einem meiner Konzerte mit Triology gewesen, und auf einer Party hörte ich ihn das erste Mal spielen. Ich erinnere mich gut meiner damaligen Begeisterung. Jede scheinbar noch so kleine musikalische Linie war erfüllt von solcher Expressivität, solcher Hingabe. Seitdem haben wir viel Zeit miteinander verbracht.   Nach einem Konzert mit dem Vorarlberger Symphonieorchester, in welchem wir mein Konzert für Triology und Orchester spielten, entstand die Idee, ein Gitarrenkonzert für Wolfgang Muthspiel zu schreiben, ihm gewissermaßen ein Stück auf den Leib zu schneidern. Besonders reizvoll an der Konstellation E-Gitarre und Orchester erschien mir, dass das Soloinstrument selbst im Fortissimo-bereich noch präsent bleibt und in jeder Dynamik durch klare Ortbarkeit und Brillanz besticht.   Die ersten Takte des Konzertes entstanden in Buenos Aires, wohin ich mich Anfang 2003 zum Komponieren zurückgezogen hatte. Das erste Gitarrensolo ist in einer musikalischen Sprache gehalten, die ich sehr mit Wolfgang Muthspiel assoziiere. Sparsame Polyphonie in harmonisch gereiztem Umfeld. Zeit, um den Akkorden nachzulauschen. Elemente südamerikanischer Musik finden sich in mehr oder weniger offener Form über das ganze Stück verteilt. Und nachdem die chromatische Modulationsweise Astor Piazzollas harmonischen Entwicklungen spätromantischer Musik nicht unähnlich ist, fanden auch Formen dieser Sprache ihren Weg in die Partitur.   Ich habe von Beginn an an eine einsätzige Form gedacht. Sie entstand gewissermaßen improvisie-rend, immer dem nachspürend, was logisch auf einen vorhergegangenen Teil folgen könnte.   In einem Teil bediene ich mich verschiedener Messiaen-Modi, die die Basis für eine Gitarren-improvisation bilden. Mir fiel auf, dass der dritte Modus (über Grundton D – d, e, f, fis, gis, a, b, c, des) eine Vielzahl reiner Dur- und Moll-Akkorde mit sich bringt (D-Dur, d-Moll, F-Dur, F-Moll, Fis-Dur, fis-Moll, A-Dur, a-Moll, B-Dur, b-Moll, Cis-Dur, cis-Moll). Innerhalb dieser Akkordkonstel-lationen lassen sich stilechte Renaissance-Elemente schaffen, die trotzdem konsequent im Messi-aenschen Modus bleiben. Aus der multitonalen Fläche leuchten also gewisse Farben heraus, die in sich geschlossen wieder in einem Jahrhunderte älteren Kontext sinnvoll sind.   Die Holzbläserbesetzung ergab sich aus den Vorgaben des Orchesters – 2, 2, 2, 2: Dadurch, dass der jeweils zweite immer ein Soloinstrument spielt (Piccolo, Englisch Horn, Bassklarinette und Kontrafagott), gewinne ich vier Soloinstrumente, ohne auf die Charakteristika „klassischen“ Holz-bläsersatzes verzichten zu müssen. Der Solopart ist über weite Strecken nur skizziert. Notiert habe ich nur, was mir thematisch als absolut notwendig erschien. Ich wollte dem Solisten, den ich für einen der besten lebenden Improvisatoren halte, genug Raum zur Entfaltung lassen. Teilweise habe ich sparsame Akkord-symbole angegeben, teilweise wird der Gitarrenpart überhaupt nur nach Gehör gespielt. Er kann, nach eigenem Ermessen die rhythmische Seite unterstützen oder sich in der harmonischen bewegen. Auch die Entscheidung, ob gespielt wird oder nicht, obliegt in letzter Konsequenz dem Solisten. Ich hoffe auf diese Weise größtmögliche Spontaneität zu erreichen. Die Kadenz, ganz in Anlehnung an barocke und frühklassische Traditionen, ist überhaupt freigelassen.   Ich habe versucht, mich an jazzorientierte Rhythmik heranzutasten. Groove definiert sich in meinem Fall hauptsächlich über die E-Gitarre und die Schlagzeuggruppe. Die anderen Instrumentengruppen arbeiten rhythmisch zu, teilweise in Überlagerungen verschiedener Tempi.   Die E-Gitarre wurde im Zuge der Entwicklung der Pop-Musik in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zu einem Kultinstrument und erreichte eine internationale Breiten-wirkung, die jene der klassischen europäischen Musik bei weitem überragt. Nicht immer waren die Protagonisten des Instruments auch „Virtuosen“.   Im Jazz gibt es eine Qualität und Hochkultur der Improvisation, die im „klassischen“ Bereich nur bei Organisten und Cembalisten zu finden ist, also bei Musikern, die sich zum großen Teil mit Musik der Vorklassik beschäftigen.   Die harmonische Entwicklung der europäischen Musik sucht ihresgleichen auf der ganzen Welt, und Jazz beispielsweise wäre völlig undenkbar ohne diese Entwicklung.   Hingegen hat es in Europa vergleichsweise wenig Entwicklung in Bezug auf Rhythmik gegeben. Jazz, kubanische und brasilianische Musik ist wiederum undenkbar ohne die komplexe Rhythmik Afrikas.   Piazzolla ist undenkbar ohne Neapel, Sizilien, Spanien, die Musik der europäischen Spätromantik und das in Deutschland erfundene, nach Heinrich Band benannte „Bandoneon“.   Und Instrumentalkonzerte sind undenkbar ohne ein Orchester, welches in jahrhundertealter europäischer Tradition steht.   In diesem Sinne… Tristan Schulze (2004)  

Rezension

 “(…) The musical language is largely that of modern jazz and it is all very virtuosic and looks very impressive and exciting. (…)”   Stephen Kenyon, CLASSICAL GUITAR MAGAZINE, October 2010