ZEISL Erich
Pierrot in der Flasche
Libretto: Zdenko Kestranek nach einer Erzählung von Gustav MeyrinkI. Vorspiel - II. Zwischenspiel und Festmusik - III. Orientalische Liebesszene - IV. Tanz der fliegenden Teufel - V. Trauermarsch, Todestanz, Finale
Untertitel
Suite aus dem Ballett
Erscheinungsdatum
1929
Dauer
28'
Bestell-Nr.
Aufführungsmaterial leihweise
Keine Medien vorhanden
Infoblatt
Beschreibung
„Ermutigt durch die günstige Rezeption, die seine Lieder erfahren hatten, beeilte sich Zeisl, seine lyrisch-dramatische Muse auf größere Formate zu lenken. 1929 schrieb er mit Pierrot in der Flasche sein erstes Ballett, wozu Gustav Meyrinks gruselige orientalische Fantasie ‚Der Mann auf der Flasche’ die Anregung lieferte (siehe ‚Der deutschen Spießers Wunderhorn’ von 1913). Der Gesangspädagog und Librettist Zdenko Kestranek adaptierte Meyrinks Erzählung, modernisierte sie für die jazzbetörten ‚Roaring Twenties’ und nannte sie Pierrot in der Flasche. Dieser einaktige Ausflug ins Groteske geschieht in drei Szenen: Wirklichkeit – Traum – Wirklichkeit. Es geht darin um das Dreiecksverhältnis der hübschen und modebewussten jungen Li, ihres großen Ehemanns Edgar und ihres Geliebten, des anmutigen Jazztänzers Charly. Von Meyrinks grausiger Erzählung weicht die Bearbeitung insofern bedeutsam ab, als alle drei Charaktere ihr Abenteuer überleben.
Zeisl erlebte keine Aufführung des vollständigen Balletts, doch immerhin kam es am 4. März 1935 durch Karl Oskar Alwin und die Wiener Symphoniker zur Premiere der fünfsätzigen Suite, die der Komponist zusammengestellt hatte. Das Ergebnis dessen war eine bezwingende Verbindung von Kompositionstechniken der späten Romantik (wie ausgehaltene Orgelpunkte, pulsierende Ostinati, kontrapunktische Bildungen, thematische Transformation und zyklische Gestaltung) mit den ansteckenden Rhythmen des Ragtime und des Jazz. Mit ihrer programmatischen, bildhaften Ausrichtung entwirft Zeisls Instrumentalmusik auf zeichnerische Weise atmosphärische Stimmungen, während er mit seiner meisterhaften Orchestration, bei der er auch ein Jazzklavier verwendet, geschickt alle dramatischen Details unterstreicht.
I. Pierrot in der Flasche: Vorspiel 1. Szene. Belebt vom Rhythmus eines Two-Step, vermittelt das Vorspiel die wahnwitzige Energie der jazzverrückten zwanziger Jahre. Nach einer Überleitungspassage beginnt in der Soloflöte der Tanz des koketten Stubenmädchens (Allegretto), eine amüsante Komponente aus der ersten Szene des Balletts.
II. Zwischenspiel & Festmusik: Für das Zwischenspiel, das Li von der Wirklichkeit in einen Traum befördert, wird in der Partitur ein lebhaft groteskes Tempo verlangt. Das zunächst im Kontrafagott exponierte Fugensubjekt ist das zentrale Thema des Balletts: ‚Charly’s Serenade’, eine wiegende, bittersüße Melodie. Mit der orgiastischen Festmusik folgt eine funkelnde Karnevalsnummer, zu der maskierte Schwärmer in einen strahlend erleuchteten Ballsaal wirbeln.
III. Orientalische Liebesszene. Trompeten leiten den exotischen Mittelsatz (Lento) dieser Suite ein – den Tanz von Li und Charly, eine der sinnlichsten Liebesszenen, die Zeisl geschrieben hat. Die Musik steigert sich unerbittlich zu einer ekstatischen Vorstellung des augmentierten Serenadenthemas, das hier buchstäblich und symbolisch den Höhepunkt der erotisch aufgeladenen Nummer markiert.
IV. Tanz der fliegenden Teufel. In einer erschreckenden Szene (rasch) führt Edgar einen Trupp Vampirfledermäuse herbei, die die schlafwandelnde Li bedrohen. Chromatische, schwirrende Figuren und ein moto perpetuo-Ostinato stürzen herab und umkreisen ein düster-bedrohliches Thema. Ein wilder Rundtanz (presto) beschließt den Satz mit einem Ausbruch.
V. Trauermarsch, Todestanz, Finale. Ein lebloser Charly wird während des Trauermarsches (Lento) hereingetragen, den Zeisl aus einer zuckenden, grotesken Transformation des Serenadenthemas konstruiert. Getrieben von motivischen Fragmenten eines vorausgegangenen Two-Step, begleitet der Todestanz (rasch) Charlys Tanz der Verzweiflung in der Flasche. Während er kurz vor dem Ersticken ist, zerschmettern Scharfrichter das Glas, wodurch Li erwacht. Das Finale spielt dann in der realen Welt: Li tanzt eine Pantomime (lento); der betrunkene Edgar stolpert an Charlys Arm herein (rasch); Charlys Serenade signalisiert den Triumph des Jazztänzers (Allegretto); Li und Charly gehen ab, während Edgar die Besinnung verliert (rasch).
Malcolm S. Cole
Inhalt
Rezension
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