CERHA Friedrich
Sechs Stücke für Violine solo
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Beschreibung
Meine ersten Kompositionen 1935/37 waren Duos für zwei Violinen und zwei Violinsonaten. Später spielte ich zwar als Geiger sehr gern die Bach’schen Solosonaten, hatte aber Schwierigkeiten mit den Arbeiten für unbegleitete Melodie-Instrumente aus unserem Jahrhundert, zum Beispiel mit den zahllosen Flötenstücken, die für Severino Gazzeloni entstanden sind. Ich fand, dass die unendliche Freiheit, die Flut von Möglichkeiten, die das Nicht-Behindertsein durch Geschehnisse in anderen Instrumenten oder Stimmen bringt, die Komponisten vielfach hilflos gemacht hat – sie gehindert hat, auf zwingende Weise von einem zum anderen fortzuschreiten. Und so fühlte ich mich erst im Februar 1997 diszipliniert genug, während eines längeren Krankenhausaufenthaltes dem alten Wunsch von Ernst Kovacic zu entsprechen und die Stücke für Violine zu schreiben Das erste und letzte sind kurze Stücke in straffer Bewegung, die eine Art Rahmen um das Geschehen bilden. Das zweite Stück ist rhapsodisch gehalten, wobei wie in den anderen Sätzen auch eine kaum je verwendete Spielweise kultiviert wird: Bei Doppelgriffen, oft mit Trillern versehen, wird ein Ton auf einer Saite festgehalten, während auf der anderen ein Glissando ausgeführt wird. Die beiden langsamen Stücke drei und fünf greifen ein Motiv aus dem letzten Abschnitt meines Ensemble-Stückes „Jahr lang ins Ungewisse hinab“ auf, variieren es und führen es weiter. Das bei weitem umfangreichste Stück ist das vierte. Es schließt in technischer Hinsicht an den zweiten großen Abschnitt von „Jahr lang ins Ungewisse hinab“ an. Das Geschehen vollzieht sich in 49 Wellenbewegungen. Der Tonvorrat der einzelnen Wellen beträgt am Anfang fünf Töne, steigert sich bis zur Mitte auf 21 und sinkt gegen Schluss wieder zurück auf drei Töne. Werden am Anfang die gehaltenen Töne nur von kleinen raschen Gruppen unterbrochen, verschwinden sie gegen die Mitte des Stückes zu. Die schnellen Gruppen werden immer länger, bis schließlich eine kontinuierliche Bewegung in Quintolensechzehnteln entsteht, die nur durch kurze Pausen zwischen den Wellen getrennt wird. Von der Mitte weg baut sich die Bewegung wieder ab, die Gruppen werden kleiner, die gehaltenen Töne häufiger, bis sie am Schluss dominieren. Die Hüllkurven der Wellen steigen in verschiedenen Graden gegen die Mitte an und sinken bis zum Ende wieder zurück. Von Welle zu Welle wird eine Anzahl von Tonhöhen festgehalten, während sich andere jeweils verändern. Eine Verwandtschaft zwischen aufeinanderfolgenden Wellen wird dadurch hergestellt, dass, abgesehen von den sich ändernden Tonhöhen und den Bewegungsänderungen, die das prozessuale Geschehen erfordert, im Großen gesehen ein retrogrades Verhältnis geschaffen wird; die Verwandtschaft zwischen benachbarten Wellen ist immer deutlich, sie nimmt aber mit der Entfernung ab. Friedrich Cerha
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