Werk

Noten
suchen und finden

URBANNER Erich

Streichquartett Nr. 4

Erscheinungsdatum
1992
Besetzung
Streichquartette
Dauer
15'
Bestell-Nr.
06 160 / Stp. 658

Keine Medien vorhanden

Beschreibung

Das 4. Streichquartett, eine Auftragskomposition der Schweizer Veranstalter-Gesellschaft Arts et Lettres, ist dem Alban Berg Quartett gewidmet. Es zeigt nicht nur den derzeitigen Stand einer kompositorischen Entwicklung auf, sondern ist auch Ergebnis von langjährigen Erfahrungen, die ich als musikalischer Aufnahmeleiter bei Schallplattenproduktionen mit dem Alban Berg Quartett machen konnte. Diese Zusammenarbeit, die zu meinen intensivsten musikalischen Erlebnissen gehörte, hat wesentlich dazu beigetragen, den Blick für diese herrliche, auch oft schwer zugängliche Kammermusikform noch mehr zu öffnen. Die einmalige Homogenität dieses Klangkörpers, sowie auch die Persönlichkeit jedes einzelnen Musikers inspirierten mich zur Darstellung von Gemeinsamkeit und Einzelleistung, konfrontierend oder einander ergänzend.     Es galt daher eine Form zu finden, die den dynamischen Spannungsverlauf zwischen mehreren Themen zum Inhalt hat. Wenn auch dieses Verfahren aus dem Gedanken der klassischen Sonatenform abgeleitet werden kann, ist lediglich ihre Grundidee übernommen, dass Themen keinen absoluten, sondern einen relativen Stellenwert haben. Sie laufen nicht unveränderlich ab, sondern unterliegen Entwicklungsprozessen, vergleichbar mit der traditionellen Durchführung.   Ein zyklischer Formablauf schien für mein Vorhaben beste Voraussetzungen zu schaffen: A: con moto – senza misura (Kadenz) B: con sentimento C: scherzando B: con sentimento D: marcato e furioso E: vivo D: marcato e furioso   Nach A gibt es also zwei Dreierkombinationen, die wohl das gleiche architektonische Bild aufweisen, vom musikalischen Inhalt her aber grundverschieden sind. Die Wiederholungen von B und D, B’ und D’, haben keinen Reprisencharakter, sondern geben in modifizierter Form die eingangs beabsichtigte Grundstimmung wider, nur mit reicheren Mitteln und damit verbundenen emotionellen Steigerungen. Diese Repliken verhindern auch ein zu rasches Voranschreiten von Entwicklungen, denn bei einem geradlinigen Durchmarsch von A zu E würde hier ein zu schneller Verbrauch des Materials eintreten, der Zwang, immer Neues bringen zu müssen, würde auch den Hörer überfordern. Gerade die beiden „con sentimento“-Teile, die das „scherzando“ umschließen, eröffnen ein breites Feld für die Erfindung von melodischen Varianten, die wohl zu den komplexesten und verfeinerungs-fähigsten Ausdrucksmitteln der Neuen Musik gezählt werden können. Hier vereinigen sich auch die Stimmen zu größter Satzdichte und Polyphonie. Die „marcato e furioso“-Teile beinhalten vorwiegend Motorik. Im vorderen Teil dominieren heftig und exponiert Blockbildungen. Diese werden, dynamisch gezügelt und in kleine Bestandteile zerlegt, in das nachfolgende „vivo“ herübergenommen, treiben das musikalische Geschehen unentwegt an, bringen Steigerung, indem sie sich auch selbst steigern und im letzten Abschnitt wieder zur heftigen, wenn auch anderen Form der Motorik zurückfinden. Ich versuchte also, ein und demselben Formtypus zwei grundverschiedene Inhalte zu geben, wobei das humorig skurrile bis hin zu Tonentfremdungen in höchste Lagen sich entwickelnde „scherzando“ inmitten der melodisch polyphonen Teile einen scharfen Kontrast bildet, das „vivo“ hingegen durch modifizierten Materialbezug mit den motorischen Eckteilen zusammenhängt. Eine Sonderstellung nimmt der Anfangsteil A ein. Anstatt Einleitung möchte ich hier lieger Einführung sagen, nämlich Einführung in eine Welt der Gegensätze. Zwei Ideen, die eine rhythmisch prägnant bis scharf akzentuiert, die andere ausgleichend, ausschwingend, beruhigend, werden gegenübergestellt. In sechs Abschnitten unterschiedlicher Länge gibt es keine Entscheidung darüber, wohin sich diese Konfrontation entwickeln wird. Erst der siebente Abschnitt „senza misura“ (Kadenz) gibt jedem Spieler Raum für solistische Darbietungen. Eine bunte Palette von Ausdrucksformen, wie risoluto (Vc.), capricioso-moderato-calmato (1. Vl.), cantabile (Va.), poco agitato (2. Vl.) und rigoroso (für alle) wird für die zwei nachfolgenden Hauptformen bestimmend. So spielt die Zahl 7 in diesem Quartett eine wesentliche Rolle, denn im siebenten Abschnitt von A werden sieben Ausdrucksvarianten für die sieben Teile des gesamten Zyklus solistisch entwickelt.                                                                                                                                                                                                    (Erich Urbanner)

Inhalt

 

Rezension